Die Schmutterbrücke
Ein Zolleinnehmer kontrollierte einst den Verkehr
Vom kleinen Weiler im Mittelalter zur Industriegemeinde des 21. Jahrhunderts - in seiner langen Geschichte hat sich Bäumenheim stark gewandelt! Eines aber ist gleich geblieben: Damals wie heute durchzieht die Schmutter auf ihrem 96 Kilometer langen Weg zur Donau unsere Gemeinde. Reicher Fischfang und die Nutzung der Wasserkraft zum Mühlenantrieb waren in der frühen Geschichte Bäumenheims entscheidende Standortfaktoren für die Ortsentwicklung. Häufige Überschwemmungen und die Trennung der Höfe und des Verkehrs dies- und jenseits des Flusses bildeten hingegen die Schattenseite des Lebens am Wasser. Für die Bäumenheimer war die Schmutter damit von Anfang an Chance und Herausforderung zugleich.
Der Bau und Unterhalt einer Brücke war seit jeher die Grundvoraussetzung zum Anschluss des Ortes an das Wegenetz der Umgebung. Im Jahr 1663, als noch die ganze Region mit den Folgen des 30jährigen Krieges zu kämpfen hatte und man erst nach und nach mit dem Wiederaufbau der Infrastruktur begann, war auch die Bäumenheimer Schmutterbrücke in schlechtem Zustand. Zwei Untertanen beklagten sich beim Vogt der Reichspflege Wörth, es könne dort „niemand ohne Gefahr hinüberfahren“. Die Bäumenheimer wurden daraufhin zur Reparatur der Brücke angehalten. Der kurze Protokolleintrag über diesen Streit im Jahr 1663 überliefert uns somit den interessanten Hinweis, dass schon damals die Ortsbewohner des kleinen Weilers selbst für die Instandhaltung ihrer Schmutterbrücke verantwortlich waren.
Diese Verpflichtung des dauerhaften Brückenunterhalts stellte für die Dorfgemeinschaft eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Als die Brücke im Jahr 1909 abgerissen und von Grund auf neu errichtet wurde, waren die Kosten in Höhe von fast 2500 Goldmark aus den Rücklagen der Ortskasse kaum zu stemmen. Der Ortsausschuss, bestehend aus Josef Reiner, Michael Hausmann und Anton Knötzinger, bat beim Bezirksamt erfolglos um eine Unterstützung aus Kreismitteln. Doch nach Schätzungen der Verantwortlichen wurde die Brücke an Sommertagen von bis zu 100 Fuhrwerken aus den umliegenden Gemeinden frequentiert, die Ziegel, Müllereiprodukte, vor allem aber Torf aus der Heißesheimer Höll nach Hause oder zum Bahnhof transportierten und mit ihrer schweren Fracht die Brücke besonders stark beanspruchten. Die Gemeindeverwaltung kam deshalb zu dem verständlichen Schluss, künftig auch die auswärtigen Passanten für die Unterhaltungskosten in die Pflicht zu nehmen. Sie erließ deshalb am 22. Juni 1911 eine Brückenzollordnung der Ortschaft Bäumenheim. Für ortsfremde Fuhrwerke, Kraftwägen und Tiere wurde künftig eine Gebühr erhoben, die von einem Pfennig (ein Stück Kleinvieh) bis zu 15 Pfennigen (Kraftwagen) reichte. An beiden Ufern stellte man Hinweisschilder auf, der Bewohner des angrenzenden Anwesens (heute Schmutterstraße 17) wurde kurzerhand zum Zolleinnehmer ernannt. Neben den Ortsbewohnern blieben die königliche Hofhaltung, die Post und Eisenbahn, das Militär und Rettungstrupps bei Unglücksfällen vom Zoll befreit. Alle anderen hatten die Gebühr vor der Überquerung beim Zolleinnehmer zu entrichten, andernfalls drohten saftige Geldstrafen.
Wie lange der Bäumenheimer Brückenzoll erhoben wurde ist nicht geklärt. Die alte Brücke gibt es jedenfalls schon lange nicht mehr. Sie wurde vor dem Einmarsch der Amerikaner im April 1945 gesprengt. Den Krieg überdauert hat hingegen die in Sichtweite gelegene Stahlbrücke auf dem Privatgrund der Familie Rauch. Sie wurde von Adolf Rauch um 1930 – in einer Zeit großer Armut und Arbeitslosigkeit – aus alten Strommasten konstruiert. Heute heißt es jedenfalls wieder freie Fahrt für jedermann – zollfrei kann man die Schmutter überqueren und das immer unter dem Blick des heiligen Ulrich, dessen lebensgroße Figur die Schmutterbrücke seit 1996 ziert. Sie ist damit nicht nur ein Ort mit spannender Geschichte, sondern auch ein echtes Schmuckstück unserer Gemeinde!
links: Die alte Schmutterbrücke, aufgenommen 1937 (Original: Familie Rauch)
rechts: Ausschnitt der Bäumenheimer Brückenzollordnung vom Juni 1911
Schmutterbrücke der Familie Rauch, aufgenommen 1937
(Original: Familie Rauch)
Kind auf Kahn, im Hintergrund Betonkonstruktion der alten Schmutterbrücke, 1937 (Original: Familie Rauch)
Brückenheiliger St. Ulrich, errichtet 1996